08.12.2006: Die Frankfurter Rundschau berichtet über mich. Jetzt ziehen Männer mit Rauschebart und Jutesack durch Frankfurt / Einer erzählt von seinen Erfahrungen...
Das schrieb die dpa:
Alle Jahre wieder packt Thielen den rot-weißen Flokati-Mantel aus Von Sonja Diefenbach, dpa
Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Mit einem lauten «Ho, Ho, Ho» betritt der große Mann mit dem weißen Rauschebart und dem langen roten Mantel das Frankfurter Restaurant «Zum Storch». In der Hand hält er ein großes goldenes Buch, über der Schulter trägt er einen schweren Jutesack. Die 30 Mitarbeiter eines Reisebüros, die schon vor dem Nikolaustag in dem Restaurant Weihnachten feiern, begrüßen Michael Thielen fröhlich. Den Aperitif haben sie schon getrunken.
Der 36 Jahre alte Nikolaus geht von Tisch zu Tisch, sagt zu jedem ein paar Worte und verteilt Schokoladen-Nikoläuse. «Ich war schon ein bisschen aufgeregt, was er zu mir sagt», erzählt Daniela Hinkel aus dem Vertrieb hinterher. Er habe aber nur Nettes gesagt. «Ich kann mich nicht beschweren», sagt sie lachend, ohne Einzelheiten zu nennen. Ihr Kollege Martin Schilling scherzt: «Ich bin der Kaffeelieferant der Abteilung, ich wusste ja, dass ich brav war.» Die Informationen über die Mitarbeiter hat Thielen von einer Beschäftigten aus dem Marketing, der Organisatorin der Feier.
Für den gebürtigen Bottroper ist es die zweite Weihnachtszeit als Miet-Nikolaus im Großraum Frankfurt. Zuvor war er in seiner Vaterstadt jahrelang als Nikolaus und Weihnachtsmann unterwegs. Die Idee dazu hatte er schon 1992 als Student mit chronischen Geldsorgen. «Zwei Jahre lang habe ich mich dann als Nikolaus in die Fußgängerzone gestellt, bevor ich in Zeitungen inseriert und Hausbesuche als Nikolaus oder Weihnachtsmann angeboten habe», berichtet der Grafiker. Jedes Jahr holt Thielen seither Ende November seinen roten Mantel mit Flokatibesatz und den weißen Bart mit Gummiband aus dem Schrank. «Mein goldenes Buch ist ein Reiseführer über Indien, mit Goldfolie eingeschlagen», berichtet er lachend.
Wie viele Weihnachtsmänner in Hessen in der Adventszeit unterwegs sind, weiß niemand genau. Die Agentur für Arbeit erfasst diese Jobs nicht. «In Frankfurt gab es bisher zehn Vermittlungen», sagt Sprecherin Angela Köth. Sie rechnet für die größte Stadt Hessens mit 60 bis 80 Arbeitsgelegenheiten in diesem Jahr.
Thielen hat aber nicht nur den Nikolaus und den Weihnachtsmann im Angebot. Auch der Knecht Ruprecht steht auf seiner Liste. Außerdem vermittelt er Weihnachtsengel, traditionell gekleidet, auf Wunsch aber auch mit Strapsen. «Den Knecht Ruprecht macht ein Freund, als Engel tritt eine Bekannte auf.» Der Knecht werde aber nur ein oder zwei Mal pro Saison verlangt. Am stärksten sei nach wie vor der Nikolaus gefragt. «Bis jetzt bin ich für 15 Auftritte gebucht, bei Familien am häufigsten am 5. und 6. Dezember», sagt Thielen.
Wenn er bei seinen Familienbesuchen merkt, dass die Kinder Angst vor ihm haben, macht sich der 1,90-Meter-Mann klein, geht auf Augenhöhe zu den Kleinen, redet ruhig mit ihnen und überreicht die Geschenke. «Dann ist der Nikolaus schnell egal», sagt er. Eine Rute hat er nicht. «Ich weigere mich, Kindern zu drohen», betont der Vater einer zweijährigen Tochter. Merkwürdig findet es der Miet-Nikolaus, wenn sein großer Jutesack voll ist mit Geschenken für ein einziges Kind. «Kinder sind nach ein bis zwei Geschenken schon total überfordert.»
40 Euro nimmt Thielen für einen Auftritt bei einer Familie mit vier Kindern. Bei einer Firmenfeier sind es in der Regel 100 Euro. Die größte Herausforderung seien Firmenfeiern mit überwiegend weiblichen Beschäftigten. «Betrunkene Frauen sind das Schlimmste. Da wird man als Nikolaus auch sexuell belästigt», erzählt der Nikolaus augenzwinkernd.
«Als Nikolaus ist man nie allein», beschreibt Thielen die Vorzüge seiner Einsätze. «An der Bushaltestelle werde ich schnell angesprochen, vorbei fahrende Autos hupen, die Leute winken.» Das sei auch der Grund, warum er seit 14 Jahren diesen Nebenjob hat. «Es ist schön, für ein paar Wochen im Jahr mal aus dem Alltagstrott rauszukommen und zu sehen, wie glücklich vor allem Kinder dann sind.»
Allerdings seien ihm nicht alle freundlich gesonnen: «Einmal sind zwei 15-jährige Mädchen hinter mir hergelaufen und haben versucht, mir den Bart runterzureißen. Sie haben es dann auch geschafft.» Außerdem sei er schon oft über seinen langen roten Mantel gestolpert. «Und unter der Maske ist es heiß, man schwitzt und sieht kaum was.» |